El Bolsón

 

Am 30. Mai 2018 erreichen wir El Bolsón. Wir suchen uns mal ein Café im Ort, um unsere Emails zu checken bzw. um Kontakt mit Claudia und Klaus aufzunehmen. Haimo hat bei den beiden die Fahrzeugversicherung für die meisten südamerikanischen Länder abgeschlossen. Claudia und Klaus sind Deutsche, die vor ca. 15 Jahren nach Argentinien ausgewandert sind und in der Nähe von El Bolsón eine Farm betreiben. Zudem bieten sie bei Voranmeldung Reisenden die Möglichkeit, auf Ihrem schönen Flecken Land ein paar Tage zu campen bzw. ihre Waschmaschine zu nutzen – letzteres ein ganz persönliches Highlight für mich – juhuu – endlich mal selbst wieder Wäsche-Waschen können! Die beiden sind ab 15.00 daheim – dann bleibt noch etwas Zeit, um uns im Ort umzusehen. Wir verkosten in einer Cervezeria nebenan noch ein paar Craftbiere – nachdem wir uns in DEM Hopfenanbaugebiet Argentiniens befinden, reiht sich eine Mikrobrauerei an die nächste und viele brauchen hier richtig gute Biere.

 

Die Musik und die Biere sind hier nach unserem Geschmack und wir verlassen gut gelaunt um 15.30 Uhr den Laden und überqueren die Straße zum Zebra. Leider ändert sich der Teil mit der Laune relativ schnell, als wir sehen, dass jemand – vermutlich ein LKW – uns vorne links in die Motorhaube gefahren ist. Der Eisenschutz vor den Scheinwerfern hat zum Glück gute Arbeit geleistet, aber in der Motorhaube ist ein Loch. Na toll. Unser Blick wandert zum LKW, der vor uns parkt zum Entladen. Die neue grüne Farbe auf unserer Motorhaube passt überein. Wir wandern auf die anders Seite – ja – unsere kurz vor Abfahrt neu lackierte Neon Farbe der Motorhaube klebt hinten rechts am LKW. Na wie praktisch – den Leuten hier ist es so egal, wenn sie fremdes Eigentum beschädigen, dass sie sich nicht mal die Mühe machen, abzuhauen – ich glaube diese Dreistigkeit hat bei mir das Fass zum Überlaufen gebracht (um es in den Worten einer Freundin zu sagen: WUUTPROBLEEEM!!!) Ich laufe in das Geschäft und frage in meinem schlechten Spanisch nach dem Übeltäter. Der gemütlich mit dem Handy spielende Mitarbeiter im Geschäft ruft grinsend nach dem LKW Fahrer – beide kennen sich natürlich aus – letzterer stellt sich dumm. Offensichtlich scheint keiner der Anwesenden ein Frauenversteher zu sein, denn eine kleine Entschuldigung bzw. kooperatives Verhalten würden mein Wutproblem etwas in Schach halten. Mir reichts, mein Spanisch mag zwar schlecht sein, aber nicht so schlecht, ich packe den Fahrer am Ärmel und schleife ihn raus zu seinem LKW, deute auf die Farbe, die nicht auf sein Fahrzeug gehört und auf das Loch in unserer Motorhaube, das ebenfalls nicht zu unserem Fahrzeug gehört.

 

Er verschwindet wortlos und kehrt mit original verschlossenen Versicherungsdokumenten wieder. Na wenigstens. Da wir aber nicht wissen, wie das Prozedere tatsächlich abläuft, wenn man einen Unfall in Argentinien hat, laufe ich zurück zu den netten Leuten in der Cervezeria und frage mal, ob es nicht besser wäre, die Polizei zu rufen. Die Jungs meinen, wahrscheinlich ist es besser, denn normalerweise muss der, der den Unfall verursacht, die Meldung bei der Versicherung machen und wenn er darauf keinen Bock hat oder sich einfach gemütlich Zeit lässt, können wir nix tun. Außerdem beklagen sie die Einstellung ihrer Landsleute, dass keiner sich um das Eigentum von anderen schert und dass sie deshalb selbst ihren Pick-up immer vor den Eingang parken, um ihn besser im Auge zu haben. Sie rufen für mich die Polizei, dürften aber selbst an der Motivation der selbigen zweifeln, denn sie verabschieden mich mit einem mitleidigen Grinsen und „Good Luck“.

 

Ich überquere die Straße und staune, denn bei Haimo stehen bereits die ersten 2 Polizisten – Fußstreifen. Wow – das ging schnell. Kurz darauf erscheint der örtliche Polizeichef inklusive 2 Kollegen. 5 Polizisten für einen Parkschaden! Keiner kann nur einen einzigen Brocken Englisch. Na das kann ja lustig werden. Ich versuche es wieder mit meinem spärlichen Spanisch – der LKW Fahrer streitet zum Glück nichts ab. Sowohl seine, als auch unsere Versicherungspapiere werden gecheckt und siehe da, wir sind bei der gleichen Gesellschaft versichert. Die Personalien werden aufgenommen, einer der Polizisten zeigt noch grinsend auf unsere Motorhaube und meint, das wäre ja „eh nix“. Mag zutreffen für dieses Land, da alles unter einem Überschlag des Autos mit Totalschaden nicht so schlimm ist, aber, so versuche ich ihm zu erklären, wenn in jedem Land einer auf diese Art in unser Auto fährt, würden wir mit unserer Weltreise nicht weit kommen. So oder so, der Polizist heuchelt Verständnis, wir sind heilfroh, dass die Wohnkabine nicht beschädigt ist. Wäre uns der LKW da rein gefahren, dann wäre unsere Reise wahrscheinlich vorbei. Man kann sagen, was man will, die Begegnung mit und Arbeitsweise der Polizei mag nicht wie in Europa sein, aber alle sind sehr freundlich und hilfsbereit. Abschließend werden wir noch zum Büro unserer Versicherungsgesellschaft eskortiert und einer der Polizisten erklärt gleich vor Ort, worum es hier geht.

 

Welch Ironie, da haben wir die Fahrten durch große Städte wie Buenos Aires mit 9 Fahrspuren pro Richtung völlig unversehrt überstanden und dann kommen wir in das kleine Örtchen El Bolsón, wollen uns nur unsere Versicherungspolizze abholen, ein paar Dinge erledigen, unsere Wäsche waschen und etwas relaxen und während wir quasi auf der anderen Straßenseite sitzen und unser Fahrzeug im Auge haben fährt uns einer rein. Das glaubt uns keiner!

 

 

Die Dame im Büro der Versicherung ruft auch gleich mal bei Claudia und Klaus an – wer hätte gedacht, dass unser Aufenthalt hier quasi mit dem Geschäft beginnt? Viel können wir aktuell nicht tun, wir fahren gleich mal auf die Farm zu den beiden. Claudia lädt uns ein, zur Abendjause zu bleiben und während des Gesprächs kommen wir drauf, dass die beiden ja DIE Weltreisenden sind. Jeder Overlander aus dem europäischen Raum wird wohl irgendwann mal auf ihr Buch „Abgefahren“ gestoßen sein. Haimo hat es auch zu Hause, ist aber leider nicht gut im Namen-Merken – tja – darum sind wir wohl die einzigen, die nicht extra hierher gekommen sind, um die beiden persönlich kennen zu lernen, sondern erst hier drauf kommen, dass sie mit Berühmtheiten am Tisch sitzen. Hahaha...auf jeden Fall kann man uns nicht nachsagen, dass wir irre Fans sind...

 

In der Folge bleiben wir eine Woche – es dauert, bis die wichtigsten Formalitäten erledigt sind, ein Mechaniker gefunden, das Zebra zuerst fotografiert und dann repariert sind. Dazwischen wasche ich mehrere Maschinen voll Wäsche und sammle erste Erfahrungen im Freiluft-Trocknen bei Frost – ja Frost – es ist kalt geworden mittlerweile. In den Nächten hat es ca. um die -8 Grad. Auf den Straßen ist es ziemlich eisig und man muss morgens und abends aufpassen. Außerdem gönne ich mir den ersten Frisör-Besuch, seit wir auf Reisen sind – also nach einem halben Jahr.

 

Am 5. Juni 2018 ist zum Frost auch Schnee dazu kommen – alles ist weiß geworden über Nacht. Wir verschieben unsere Abreise auf morgen um abzuwarten, bis die Straße Richtung Bariloche geräumt ist. Mit leckeren selbstgemachten Marmeladen und Apfelsaft im Gepäck verabschieden wir uns von diesem schönen Fleckchen Natur und der netten Zeit bei Claudia und Klaus und setzen unsere Reise Richtung Norden fort.

 


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