Rio de Janeiro - Teil 2

 

Den 4. Oktober 2018 verbringen wir mit administrativen Dingen, einem skurrilen Arztbesuch sowie einen Bummel durch das hiesige noble Shoppingcenter. Hier essen wir den besten Burger einer weltbekannten Fastfood-Kette, den wir jemals gegessen haben und vermutlich je werden: alles frisch, alles „à la minute“ für jeden Kunden zubereitet – wir sind sprachlos, das Zeug kann also auch so richtig gut schmecken! - Wow!

 

Danach wird Gizmo bespaßt und wir versuchen Herr und Frau über die Moskito-Plage im Zebra zu werden.

 

Am kommenden Morgen treten wir unseren nächsten Arztbesuch an – diesmal zum Glück weniger skurril, aber nicht minder spannend. Wir sind wirklich betroffen, wie wenig der medizinische Fortschritt hier außerhalb der beiden großen Gebiete „Plastische Chirurgie“ und „Zahnmedizin“ stattgefunden hat – damit hatten wir nicht gerechnet in Brasilien.

 

Unser für heute vereinbarter Termin zur Favela-Tour findet nicht statt – Milene hat uns darüber informiert, dass sie die Tour aus Sicherheitsgründen absagen muss – es hat eine Schießerei gegeben gestern. Schluck!

 

Um den restlichen Tag noch zu nutzen, fahren wir nach Lapa und schlendern etwas durchs Viertel, besuchen die moderne, wie ein UFO wirkende Kathedrale (Catedral Metropolitana de Sao Sebastio), kaufen ein paar Lebensmittel ein und gehen abschließend auf einen Drink. In dieser Gegend sieht man sehr viele arme – viele obdachlose Menschen, dementsprechend wird gebettelt und versucht, uns irgendetwas zu verkaufen. Unser Kellner in der Bier-Bar ist sehr darum bemüht, alle Belästiger abzuwehren bzw. ist er generell sehr wachsam. Bei lauteren Geräuschen zuckt er immer zusammen – wir sind irritiert – Esther meinte, das wäre DIE Fortgeh-Meile und auch sicher. Wir haben hier ein bisschen einen anderen Eindruck und fühlen uns nicht extrem wohl.

 

 

Am 6. Oktober ist es soweit – wir fahren in das „Schrauber-Viertel“. Wir brauchen eine neue Batterie und die Leute von unserem Parkplatz haben uns dringend geraten, nach Sao Cristovao zu fahren, dort gibt es eine Straße, in der man von Anfang bis zum Ende alles ums Auto bekommt. Autoelektriker, Reifenhändler, Zubehörverkäufer und Mechaniker – alle nebeneinander. Wir fragen herum und stellen fest, dass die stärkeren Autobatterien für größere Fahrzeuge dann doch nicht so einfach zu bekommen sind. Wir finden schließlich dann fast das, was wir brauchen und müssen dafür auch noch heftig diskutieren, denn man will unbedingt unsere alte (Blei-) Batterie und wir haben sie natürlich nicht dabei und nein, wir wollen auch nicht, dass uns jemand völlig Fremder zum Parkplatz fährt und sie aus dem Zebra reißt und gleich mitnimmt. Irgendwann reicht mir die laute Diskussion und ich werfe in die immer größer werdende Männerrunde, dass wir gerne eine Batterie kaufen würden, ob das nun möglich ist oder nicht? Irritierte Stille – dann ein leises: SI. Na Halleluja – wir kaufen die Batterie und ziehen ab unter Beobachtung aller Mitdiskutierer. Haimo trägt die 20 kg mit erhobenen Hauptes bei fast 40 Grad Celsius bis zum nächsten Taxi und wir dampfen ab. Zurück am Zebra bastelt Haimo eine neue Batterie-Halterung, denn natürlich haben wir nicht genau die gleiche Batterie bekommen. Danach machen wir uns schnell frisch und fahren mit dem Taxi zu „Rio Line“ an die Copacabana für die Stadt-Besichtigung. Wir haben Glück und können gleich um 14.00 mitfahren. Leider ist das hier keine Hop-on-Hop-off Variante. Seit den Olympischen Spielen gibt es dieses Angebot direkt von der Stadt Rio de Janeiro nicht mehr und der privaten Gesellschaft Rio Line hat man noch immer nicht die Genehmigung erteilt.

 

Als wir um kurz nach 14.00 losfahren sind wir lediglich 11 Personen in dem großen „Cabrio-Bus“. Unser Reiseleiter Eduard ein „alter Hase“ und richtiger Carioca. Er wartet zusätzlich zu den üblichen Informationen mit sehr viel (Promi-) Geschichten aus der 60er und 70er Jahren auf – man kann sich richtig vorstellen, dass er zur Zeit von Brigitte Bardot in so manchem High Society Kreis verkehrt hat.

 

Das Wetter wird schlechter und es ist richtig kühl bei Wind und leichtem Regen in dem offenen Bus. Das Extrem zu den letzten Tagen ist fast unglaublich – wir schätzen mal um die 25 bis 30 Grad Temperaturunterschied.

 

Am Ende der Tour kommen wir wieder in Ipanema an und nutzen die Gelegenheit auszusteigen – hier ist einfach das lässigste Viertel. Wir flüchten bei einsetzendem Starkregen in ein Einheimischen Lokal und stellen sehr schnell fest, dass das die richtige Wal war. Das Essen und die Getränke sind lecker, die Gespräche mit unserem Kellner Alberto aus Venezuela interessant und der DJ macht auch einen super Job. Wir genießen den Ausklang des Tages im Trockenen.

 

 

Heute ist der 7. Oktober 2018 – für Brasilien Tag der Wahl – wir diskutieren, ob wir denn heute eine treffen sollen. Wir können aufgrund des „Hass-Wahlkampfes“ schwer einschätzen, ob es in Rio nach Verkündigung des Ergebnisses womöglich zu irgendwelchen Zwischenfällen kommen könnte und wir lieber am Parkplatz im Zebra bleiben sollten. Da das Wetter wieder schöner zu werden beginnt wollen wir das aber nicht. Wir entscheiden uns dafür, heute dem Cristo einen Besuch abzustatten.

 

Wir nehmen ein Taxi zur berühmten alten Zahnradbahn auf den Cristo. Sie kämpft sich seit 1884 tapfer durch den Urwald des Parque Nacional Tijuca nach oben. Im Gegensatz zum Zuckerhut, wo alles ziemlich gechillt ablief, ist es hier enorm voll und stressig. Man muss schon beim Aussteigen aus der Bahn aufpassen, dass man nicht mit einem Selfie-Stick eine verpasst bekommt. Hier scheint das alleinige Ziel zu sein, von sich ein Foto mit dem Cristo zu machen – und die Methoden und Varianten hierfür sind erfinderisch, lustig und zum Teil gefährlich. Dabei ist die Aussicht ebenso atemberaubend wie auf dem Zuckerhut. Der Cristo wird im Zuge unseres Besuchs einmal vom Nebel der Wolken mystisch eingehüllt, dann wieder von der Sonne bestrahlt. Wir haben Glück mit dem Wetter, wenn wir so an gestern denken! Wir hanteln uns durch die Menschenmassen rundherum und genießen die einzelnen Ausblicke, die sehr praktisch an kleinen Tafeln beschrieben werden. Kurz zu „himself“: Der Cristo ist inklusive seines Sockels 38 Meter hoch und kein Leichtgewicht mit seinen 1.145 Tonnen. Die Spannweite seiner ausgebreiteten Arme beträgt 28 Meter. Die im Art-Déco-Stil erbaute Statue sollte eigentlich 1922 zur Unabhängigkeit Brasiliens eingeweiht werden, doch wie so oft, hat das Geld nicht gereicht. Erst mit finanzieller Hilfe des Vatikans konnte der Cristo 1931 letztlich „auferstehen“. Auch hier versuche ich nach Erinnerungen an vor 20 Jahren in meinem Gedächtnis zu kramen – eines weiß ich bestimmt: damals war es nicht so derartig überfüllt wie jetzt – ich kann mich an „sehr viel Platz“ erinnern.

 

 

Danach geht es zu einer weiteren Station meiner Rio-Reise von vor 20 Jahren. Zur alte „Bonde“ nach Santa Teresa. Leider wissen wir hier bereits, dass sich so einiges geändert hat. Damals war die Fahrt mit der Bahn so richtig toll – die Ausblicke unglaublich – wer den Film „Rio“ gesehen hat, kann Teile der spektakulären Fahrt nachvollziehen. Seit 2015 fährt die „Bonde“ nur einen Bruchteil der Strecke – das gesamte Schienensystem wird renoviert nach einem schweren Unfall mit tödlichem Ausgang 2011.

 

Laut unserem Reiseführer sollte Santa Teresa mit seinen kolonialen Villen und bunten Künstlerateliers auf jeden Fall zu Fuß der Bahngleise entlang erkundet werden, sollte die Bahn nicht oder nur teilweise fahren. Nachdem uns aber ein Bonde-Mitarbeiter davon sicherheitsbedingt abrät und wir entlang der Strecke einen schwer bewaffneten Polizisten nach dem anderen sehen, entscheiden wir uns dagegen. Am Rückweg stolpern wir mehr zufällig in den Parque das Ruinas bzw. das in der Nähe befindliche Gebäude des Humbolth Institutes, das vom Schweizer Architekten Rieman erbaut worden ist. Wir genießen hier einen Kaffee, die tolle Aussicht sowie die mystischen Klänge einer „Hand Band“.

 

 

Heute sind wir relativ bald wieder zurück am Zebra und finden Gizmo in keinem idealen Zustand vor. Er hechelt stark – so heiß war es heute nicht – warum hechelt er so....wir fangen an ihn zu untersuchen und stellen fest, dass erneut eine der ehemals offenen Stellen wieder blutet und nässt. Verdammt. Wir rasieren die Stelle nun komplett frei und die Haare gehen darunter schon aus. Wir reinigen alles nun mit Betaisadona und nicht mehr mit dem Wasserstoff. Gizmo ist definitiv noch nicht auf der Höhe – die lange Antibiotika Gabe gibt ihm den Rest – er ist ziemlich niedergeschlagen. Wir hoffen auf jeden Fall, dass wir mit der Rasur bzw. dem Freilegen der wunden Stelle nun für bessere Heilung sorgen.

 

8. Oktober 2018 - Die Nacht ist durchwachsen – mit einem Ohr horchen wir immer, ob alles ok ist mit Gizmo. Um 5.00 Uhr das tägliche Konzert der Motoren – warum wir um 6.45 unseren Wecker gestellt haben? Na eigentlich nur, damit wir nicht mehr einschlafen.

 

Heute freuen wir uns schon auf die Stadtführung. Es gibt ein Projekt in Rio de Janeiro mit gratis Stadtführungen für jedermann. Man kommt einfach zum vereinbarten Treffpunkt und geht mit. Wie meist haben wir Glück: die englischsprachige Truppe ist wieder sehr klein – wir sind zu viert. Die Ironie – mit 2 Deutschen und 2 Österreichern wären wir eigentlich eine deutschsprachige Truppe und unser Guide – Gustavo – hat zwar österreichische Wurzeln, spricht aber leider fast kein Deutsch. Sein Englisch ist dafür exzellent und seine heitere Art uns die eher triste Geschichte der Kolonialzeit näher zu bringen ist sehr erfrischend. Die historische Tour durch die Stadt ist kurzweilig und sehr interessant – sicher eine der empfehlenswertesten Aktivitäten in Rio.

 

 

Mittags zurück im Zebra beschließen wir mal die weitere Route – wir werden morgen Rio verlassen – es hilft nicht – wir sind nun 9 Tage hier und lieben die Stadt und könnten ohne Mühe noch weitere 10 Tage hier bleiben, soviel kann man hier anschauen und unternehmen – aber wir sollten weiter. Wir werden also noch einen Teil der Costa del Sol hoch fahren und dann Richtung Ouro Preto/Minas Gerais weiter fahren in den Süd-Pantanal. Brasilia und der Nord-Pantanal werden sich wohl nicht ausgehen.

 

9. Oktober 2018 - Tag des Abschieds. Beim Frühstück blicken wir noch hoffnungsvoll nach oben, aber das Wetter wird wohl nicht besser. Wir haben eine weitere Möglichkeit für einen Hubschrauber Rundflug ausfindig gemacht und uns offen gelassen, heute noch vor der Abreise hinzufahren, wenn das Wetter passt. Leider tut es uns den Gefallen nicht. Dann werden wir uns wohl etwas unspektakulärer von dieser tollen Stadt verabschieden müssen. Wir packen alles zusammen und machen das Zebra startklar und fahren zum Tanken. Eines muss aber noch sein vor Verlassen der Stadt: ich möchte unbedingt zum Bossa Nova Plattenladen in Ipanema, den mir Gustavo empfohlen hat. Wir fahren also nach fast 10 Tagen mit dem Zebra los – es raucht und qualmt hinter uns von der langen Stehzeit – wie peinlich – mitten im noblen Ipanema. Wir finden den Plattenladen, Haimo aber keinen Parkplatz und kurvt derweil mit dem Zebra – ich springe raus und rein in den Laden. Der Inhaber, ein Literaturprofessort ist DER Spezialist in Sachen Bossa Nova. Er kauft lediglich gut erhaltene alte Platten zu, Neupressungen – so meint er – wären nicht das Selbe. Außerdem führt er eine kleine und feine CD Ecke. Er fragt mich, was mir vorschwebt – ich teile meine Wünsche mit und bitte um Empfehlungen. So nehme ich hauptsächlich Schallplatten und fürs Auto bzw. unterwegs noch 2 CDs. Danach ist die Galgenfrist vorbei – wir treten unsere große Abschiedsrunde an und fahren von Ipanema aus an der Küste entlang Richtung Norden, vorbei an Copacabana und Flamengo und weiter über die Niteroi Brücke – mit 9 km die längste Lateinamerikas. Beide sind wir wehmütig – auch Haimo, der Großstadt-Skeptiker. Rio ist nun ausgerechnet die erste unserer bereisten Städte, die es ihm auch angetan hat. So fahren wir über die lange Brücke, es regnet – der aufsteigende Dunst verwehrt uns den tollen Ausblick von hier auf die Stadt. Nein – dieser Abschied gefällt uns nicht.

 


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