Westwärts - Belo Horizonte bis Campo Grande
Am 22. Oktober setzen wir unseren Weg in den Westen fort. In Pompeu kaufen wir schnell ein und suchen einen Pet Shop. Aus unserem gefräßigen Labi ist ja ein ziemlich heikler Esser geworden – gut – wir mutmaßen mal, dass das Futter in Südamerika womöglich nicht die allerbeste Qualität hat. Wir brauchen einfach wieder etwas, das ihm schmeckt – das Futter von Curitiba ist leider aus. Wir finden was – es kostet auf jeden Fall ziemlich viel und man versichert uns, es wäre noch besser als unser letztes. Wir möchten das gerne glauben und nehmen es. In Martinho Campos fahren wir an einer Tierklinik vorbei und schleifen gleich mal zusammen – wir brauchen dringend eine Impfauffrischung für Gizmo, die Klinik sieht sehr modern und sauber aus – nehmen wir. Die Veterinaria kommt uns gleich entgegen und stürzt sich auf unseren Buben, um ihn gleich mal so richtig zu knuddeln. Gizmo ist also einverstanden mit der Tierärztin – dann sind es wir auch. Sie hat die Kombi-Impfung, die wir benötigen, aber von einem anderen Hersteller. Das passt. Für die Impfung zieht sie sich pinke Latexhandschuhe an – ich bin neidisch – solche hatte nicht mal meine Ärztin in Rio, die hat die Einwegplastikhandschuhe genommen, die man bei uns zu den Haarfärbemitteln bekommt. Zum Abschluss gibt es noch ein Fotoshooting mit und ohne uns – Patricia möchte ein Selfie mit Gizmo.
Unser Nachtlagerplatz an einer Kaffeeplantage ist zwar nicht ruhig, aber wir haben einen tollen Ausblick über die hügelige Landschaft und einen schönen Sonnenuntergang.
Auch am nächsten Tag heißt es für uns „Meter-Machen“ - das tun wir auch und suchen uns diesmal einen Platz zwischen Zuckerrohr Plantagen. Schon beim Aussteigen beginnt die Fliegen- und Moskito Plage. Alle drei schlagen wir um uns – im Zebra probieren wir es zuerst mit Licht und unserer selbst gebastelten zusätzlichen Insekten-Barriere. Sie hält zwar Moskitos ab, aber die großen Käfer fressen sich da schier durch. Wir schmeißen die Nerven und verbarrikadieren uns. Mit geschlossenem Fenster in Brasiliens Hitze geht es aber leider auch nicht – daher drehen wir das Licht ab und gehen schlafen.
Am 24. Oktober probieren wir die Sache mit dem frühen Morgen, dem Vogel und dem Wurm aus. Naja, wer früh schlafen geht kann auch früher aufstehen. Auf jeden Fall bringt uns das frühe Aufstehen unsere erste Tucan-Sichtung in freier Wildbahn – auf der Schnellstraße. Da die Tucane nicht zur schnellen Flug-Truppe gehören, wird unser Zusammentreffen dann doch ein bisschen stressig, weil der Gute relativ gemütlich vor dem Zebra die Straße kreuzt. Zum Glück ist alles gut gegangen, wir wollen definitiv keine Tucan-Mörder werden. Wir bleiben dann sogar noch stehen und können ein paar Fotos von ihm machen – er erholt sich von dem Schrecken an einem nahe gelegenen Baum.
In der Nähe von Comendador Gomes finden wir dann unseren sehr ruhigen nächsten Lagerplatz – neben einem wunderschönen alten Baum an einem Feldweg – mitten im landwirtschaftlich genutzten Gebiet. Nachdem wir eingeparkt haben am Wiesenstück nebem dem tollen alten Baum hält ein Pick up und das Ehepaar, das herausspringt erklärt uns, dass das ihr Grund wäre. Wir könnten gerne stehen bleiben – sie deuten außerdem in die Ferne auf ein Haus und geben uns zu verstehen, dass wir sie dort finden würden, wenn wir etwas bräuchten. Wir sind froh, fast hatten wir befürchtet, dass man uns vertreiben wollte.
Während der Nacht schüttet es in Strömen und aus der Straße ist ein Schlammbad geworden. Diese Entwicklung ist auch nicht ideal, wenn man einen Hund hat – somit steht für Gizmo die verhasste „Entkontaminierung“ bei jedem Gassi-Gehen an.
Unser Nationalfeiertag beginnt ruhig – ich verziehe mich mit Tisch und Notebook in den Schatten des tollen Baums und Haimo beginnt mit ein paar Arbeiten und Kontrollen am Zebra. Die Sonne scheint wieder – vorbei das Unwetter der Nacht. Auf der der roten Matschpiste bleibt ein Fahrzeug nach dem anderen stecken – die Traktoren der Bauern haben Hochbetrieb.
Unser Unheil beginnt mit unverständlichem Geschimpfe und Gefluche aus Richtung Zebra und endet mit „das ganze Wohnmobil verfault“. Ich springe hoch und werfe fast das Notebook um und laufe los. Haimo hat nochmal alles kontrolliert und bemerkt, dass uns das Wasser direkt bei der Türe reinläuft und sich über den Holzboden ins Innere zieht. Das gesamte Holz im Einstiegsbereich ist bereits am Vermodern. Haimo beginnt also alles rauszustemmen. In der Folge stellen wir fest, dass wir es gleich mit einem multiplen Wasserproblem zu tun haben: Der Dichtungsgummi an der Serviceklappe für den Technikraum hat sich verzogen und das Wasser läuft von oben rein – im Technikraum selbst ist es zwar nicht viel aber wir haben einen Zentimeter Wasser im „Keller“-Stauraum. Auch das noch! Haimo ist gerade fertig geworden mit den Stemmarbeiten als das nächste Gewitter naht. Da wir das halbe Zebra ausgeräumt haben, müssen wir uns beeilen, um wieder alles rein zu bekommen. Als es dann sintflutartig über uns hereinbricht haben wir alles drin, bis auf Tisch und Stativ. Jetzt wo der Eingangsbereich frei ist können wir gut beobachten, wie das Wasser schier in Bächen reinläuft. Es gelingt uns alles per Handtüchern zu stoppen. Als dieses Unwetter vorbei ist, wird erstmal das Wasser aus dem „Keller“ Stauraum aufgewischt – danach funktioniert Haimo die Schläuche der Heizung kurzerhand zu einem Trockengerät um und schaltet die Lüftung ein. Danach baut er eine Wasserbarriere aus GFK im Eingangsbereich – das wird nun ein neuer Stolperstein für uns, aber wir haben für den Moment keine andere Lösung. Damit Gizmo auch wieder während der Fahrt dort liegen kann, pflastern wir den Bereich mit den Moosgummi Platten aus, die wir in Chile im Baumarkt gekauft hatten und die bereits mannigfaltig Verwendung im Zebra gefunden haben. Die Stimmung ist am Tiefpunkt. Noch wissen wir nicht genau, wie schlimm der Schaden am Holzboden ist. Die Gesamte Inneneinrichtung steht auf dem Holzboden, sollte da mehr zum Rausstemmen sein, könnte die Stabilität leiden. Unsere kleine Jubiläumsfeier am Abend fällt aufgrund fehlender Stimmung auch ins Wasser und wir gehen schlecht gelaunt und deprimiert früh schlafen.
Während der Nacht zieht das nächste Gewitter heran – Gizmo rollt sich wieder auf Schoßhundgröße zusammen und zittert vor Angst – der Arme hat seit seinem einzigen Aufenthalt in einem Hundehotel panische Angst vor Gewitter bekommen. Wir knien vor dem Eingang und hoffen, dass die Barriere hält und das Wasser nicht mehr ins Innere läuft. Es regnet wirklich stark, aber wir haben Glück bzw. Haimo eine gute Arbeit gemacht – alles bleibt trocken. Halleluja! Leider läuft wieder Wasser über die Technikklappe rein – also war es nicht der verrutschte Dichtungsgummi. Verdammt! Bei genauerer Inspektion stellt sich heraus, dass sich die relativ teure Original-Technikklappe verzogen hat und ausgerechnet oben nach außen biegt.
Der 27. Oktober 2018 beginnt leider gleich bescheiden wie der Tag davor aufgehört hat. Wir trocknen den Untergrund erneut und Haimo verklebt mal mit Powertape die Klappe. Dann entdecke ich unsere dritte Wasser-Baustelle. Die Tür des Schranks unter dem Kühlschrank hat eine feuchte Stelle – es scheint, als ob Wasser von oben an den Türscharnieren entlang in den Untergrund des Schranks läuft. Woher kommt dieses Wasser bitte? Der Kühlschrank kann es eigentlich nicht sein. Wir räumen alles aus – der Holzboden im Türeck ist nass. Wir verzweifeln. Es hilft nicht – als nächstes bauen wir den Kühlschrank aus. Tatsächlich, der Verschlusspfropfen für den Wasserablauf liegt lose unter dem Kühlschrank. Offensichtlich nicht zum Offroadfahren konzipiert. Das Ding wird nun mit Montagekleber für alle Ewigkeit reingepappt – da wir schon den Kühlschrank heraußen haben baut Haimo einen zusätzlichen Schalter ein, mit dem wir den Zusatzlüfters des Kühlschranks auf Dauerlüftung stellen können – in der Hitze Brasiliens definitiv nötig. Danach wird der Kühlschrank wieder eingebaut und der Schrank darunter in die große Trocknungsaktion mit eingeschlossen. Bei all den Reparaturen nehme ich mir noch für Gizmo´s Lieblingsbärli Zeit und verarzte die verschlissenen Stellen mit Nadel und Faden.
Wir müssen einen weiteren Tag bleiben, das Zebra muss ausgeräumt bleiben, damit alles trocknen kann, Haimo beschäftigt sich nun mit dem Schmieren der Kadernwelle und einer möglichen Tacho Reparatur, denn der hat auch vor geraumer Zeit seinen Geist aufgegeben. Ich schreibe weiter an unserem Bericht für die Website. Dazwischen bekommen wir Abwechslung durch das Schlammbad vor unserer Haustür. Sämtliche Autos bleiben hängen, auch schwere LKWs. Die Bauern der Umgebung verdienen ihr Zubrot, in dem sie die Fahrzeuge von der Piste ziehen. Leider bildet sich eine Art Ausweichstrecke direkt vor unserer „Haustüre“ - die schöne Wiese wird zum nächsten Schlammloch und somit zur nächsten Stelle, an der so mancher hängen bleibt. Dazu kommt, dass einige Leute versuchen uns dazu zu bringen, sie aus dem Schlamm zu ziehen und uns zur obligatorischen Zeit (5.00 Früh) aus dem Bett holen. Nein, wir können und wollen diesen Job zu unserer derzeitigen Situation definitiv nicht übernehmen, aber Auskunft können wir geben, denn mittlerweile bleiben ohnehin alle Fahrzeuge bei uns stehen und fragen, wie sie die Strecke nehmen sollen.
Diesen Lagerplatz werden wir wohl so schnell nicht vergessen, aber immerhin haben wir die schlimmsten Schäden beseitigen können – so hoffen wir zumindest – und, die Gewitterstimmungen haben so manch schönes Fotomotiv geliefert.
Campo Grande
Am 29. Oktober geht es weiter Richtung Campo Grande. Der Tag ist extrem heiß, wir ächzen vorne im Führerhaus, dessen alte Scheibe kein bisschen UV Schutz bietet. Gizmo hat sich mittlerweile angewöhnt, während der Fahrt im Gang zu liegen, da er die Hitze unten im Eingang nicht mehr erträgt. Dieser Prozess hat sehr lange gedauert, da er sich nur unten wohl und sicher fühlt. Während der Fahrt müssen wir aktuell die hinteren Fenster im Zebra mit Lüftungsspalt versehen – das begeistert uns nicht, da wir dadurch Staub rein bekommen – aber es nützt nichts, Gizmo überlebt uns sonst die Hitze nicht.
In Cassilandia wird Treibstoff getankt und eingekauft, danach geht’s gleich weiter Richtung Campo Grande. Unser heutiger Lagerplatz beschert uns gleich zwei Überraschungen: Zum einen sehen wir unsere ersten Kautschuk-Bäume Neugierig beäugen wir, wie die ein bisschen nach Urin riechende Masse gesammelt wird. Bei meiner ersten Runde mit Gizmo traue ist fast meinen Augen nicht: Katzenpfoten Abdrücke in Schuhgröße 50+...oh – wir dachten, dass wir erst im Pantanal auf Puma und Jaguar treffen würden. Schluck! Nix Gizmo frei laufen lassen beim Gassi in der Nacht – und vorher im besten Fall noch viel Lärm machen. Auch hier stehen wir am Rande eines Feldes bzw. in Nähe zur großen BR 060 – in der Nacht wird es dann aber zum Glück sehr ruhig.
Am nächsten Morgen steht Haimo plötzlich mit 2 Polizisten vor der Tür. Der eine in etwas Abstand mit Hand an der Waffe, der zweite ist mitgekommen zum Wohnmobil. Die Situation sieht etwas angespannt aus, als ich da von oben auf die illustre Runde blicke – ich frage: „todo bien“ - jetzt lächeln auch die Polizisten. Anscheinend waren wir dem Bauern hier nicht geheuer – mit unserem „Lieferauto“. Bevor sie sich verabschieden fragen sie dann doch noch ob bei uns eh alles ok ist und wir im Gegenzug, ob es hier eh sicher ist für uns. Dann verziehen sie sich.
Danach geht’s weiter – das Land wird nun komplett weit und flach – man sieht keine Hügel mehr. Die nächsten beiden Lagerplätze finden wir nicht leicht – praktisch alles Gebiet ist landwirtschaftlich genutzt und/oder eingezäunt. Es bleiben uns nur Zufahrten zum Stehenbleiben und wir hoffen, dass wir nicht wieder Besuch von der Polizei bekommen. Es ist drückend schwül – Gizmo hechelt sich in den Nächten um Kopf und Kragen – wir schlafen auch schlecht – nein – Wohlfühltemperaturen sind das ohne Klimaanlage nicht.
Unsere Pechsträhne scheint noch nicht abgerissen zu sein – Am Vorabend, bevor wir nach Campo Grande kommen, verliert Haimo eines seiner Zahnimplantate. Das einzige Glück: er hat jetzt zumindest keinen Schmerzen. Also müssen wir neben Tierarzt auch noch Zahnarzt einplanen. Bei Gizmo haben wir schon vor Tagen eine Art Geschwür am Oberschenkel gefunden und wolle das unbedingt anschauen lassen. Außerdem hat er offensichtlich eine Ohrenentzündung – seine erste. Die Hitze und die aktuellen Ereignisse haben uns erledigt. Wir sind alles müde und kaputt und dazu stimmungsmäßig angeschlagen. Jetzt kann es dann aber langsam gut sein mit unserer Pechsträhne.