Chaitén, Parque Pumalin, Vulcano Chaiten, Caleta Gonzalo, Puerto Montt (Ende, Anfang Carretera Austral)

 

Am nächsten Tag wollen wir Chaitén erreichen – die intensiven Bau- und Sprengarbeiten an der Carretera Austral halten auf. Es regnet noch dazu – wir machen uns keinen Stress. An einer Stelle liegen bereits eben vom Berg herunter gekommene Felsbrocken auf der Straße – hektisches Blicken nach oben von allen anwesenden Bauarbeitern. Bei uns würde man in solch einer Situation die Straße sperren – hier schauen drei Leute intensiv den Berg hinauf und der Vierte winkt die Autos vorbei – beim Vorbeifahren halten wir mal lieber die Luft an...

 

Um ca. 18.0 Uhr passieren wir El Amarillo, die Stadt, die sich – zumindest dem Ortsschild nach – für das „Centro del Mundo“ hält. Hier befindet sich der Südeingang des Parque Pumalin – dem Vorzeigepark des Milliardärs Douglas Tompkins. Wir fahren vorerst mal weiter Richtung Chaitén, um uns in der Stadt umzusehen. Die Leute hier haben viel mitgemacht – ihr zu Hause wurde 2008 Opfer des Vulkans Chaitén – mehr oder weniger völlig unvorbereitet, wussten doch die meisten Ortsansässigen und auch viele Vulkanologen nichts von der Existenz des Vulkans Chaitén, einem Nachbarn des bis dahin berühmteren Michinmahuida. Die Stadt wurde zu 40% zerstört und alle Einwohner mussten den Ort erstmal verlassen. Heute lebt ungefähr wieder die Hälfte der Bevölkerung hier, nachdem monatelang über die Zukunft der Stadt gestritten wurde: die Regierung wollte die Stadt 10km weiter nördlich aufbauen, aber die Bevölkerung beharrte darauf, wieder hierher zurückkehren zu wollen. Durchgesetzt haben sich letztlich die Einwohner von Chaitén und die Stadt wurde wieder aufgebaut – wenngleich sich das Ortsbild völlig verändert hat – der Rio Blanco hat sich seit dem Vulkanausbruch einen Weg mitten durch die Stadt gesucht und teilt nun Chaitén in eine nördliche und einen südliche Hälfte. Die Asche, die er mitbrachte, hat die Bucht verlanden lassen und die (ehemalige) Uferstraße ist nun einige Hundert Meter vom Meer entfernt.

 

Unseren Nachtlagerplatz finden wir da, wo Chaitén nach der Zerstörung wieder aufgebaut hätte werden sollen, wenn es nach der chilenischen Regierung gegangen wäre: in Santa Barbara. Hier befindet sich ein malerischer schwarzer Sandstrand – so wie wir es auch schon in Island gesehen haben – mit dem (skurril wirkenden) Unterschied, dass der schwarze Sandstrand direkt in kalten Regenwald übergeht. Die Bucht, in der wir unseren Nachtlagerplatz aufschlagen, wird zu einer Hälfte vom Meer und zur anderen von einem Süßwasserfluss gespeist. Bei Ebbe gelangen wir zu Fuß rüber zum großen schwarzen Sandstrand, den wir ganz alleine für uns haben. Wir alle drei freuen uns über den Spaziergang – Gizmo vor allem, weil er Sand und Wasser hat, Haimo hat wieder seinen geliebten Urwald und schlägt sich mit Kamera und Gummistiefel durchs Dickicht und ich genieße den Sonnenuntergang am Strand und beobachte Delfine und Robben.

 

Am nächsten Tag wollen wir auf den Vulkan Chaitén wandern. Leider dürfen wir Gizmo nicht mitnehmen, daher drehen wir mit ihm eine weitere Runde über den schönen schwarzen Sandstrand und er kann nochmal ausgiebig im Meer baden.

 

Da das Wetter heute mittelmäßig ist, hält sich die Motivation von Wanderern auf den Vulkan in Grenzen. Außer uns parken noch 2 Autos vor Ort. Kurz bevor wir losgehen wollen hüpft noch ein Touristen-Pärchen aus dem Bus. Während wir unsere Sachen zusammenpacken spricht uns sie im breiten oberösterreichischen Dialekt an– das gibt’s doch nicht! Wir freuen uns so sehr, dass wir gemeinsam auf den Vulkan wandern. Bis wir oben sind wechselt Nebel mit noch mehr Nebel und ein bisschen Sonnenhoffnung in der Ferne ab. Letztlich passt der dichte Nebel bei Ankunft am gespenstisch stillen Krater und die verbrannten Baumreste, die wie Gespenster nach uns greifen, wirken gleich noch unheimlicher. Wir verbringen hier oben alleine zu viert fast eine Stunde nur mit Fotografieren und Plaudern und beschließen, die beiden auf „ihren“ Campingplatz im Parque Pumalin zu begleiten, wo sie schon ihr Lager aufgeschlagen haben. Auf dem Weg dorthin kehren wir noch am „Sendero de Alerces“ ein – einem Wanderweg durch den Urwald, der uns an den bis zu ein paar tausend Jahre alten Urwaldriesen vorbei führt. Wir wandern mittlerweile in völliger Dunkelheit durch den dichten Regenwald – im Schein unserer Lampen ist das ein ganz spezielles, mystisches Erlebnis.

 

Wie kann es auch anders sein – wiedereinmal sind wir die einzigen Gäste – diesmal die des Campingplatzes. Er ist in der Nachsaison nicht mehr bewirtschaftet, aber die Anlage wird trotzdem vorbildlich gewartet – die Mülleimer sind geleert, die Sanitären Anlagen intakt (nur Kaltwasser Duschen) und alle kleinen Schutzhütten für die Zelt-Camper sind sauber. Wir parken unser Zebra zur Schutzhütte von Valentina und Manuelito – mittlerweile haben wir alle großen Hunger und so geht’s gleich ans Kochen. Wir verbringen einen netten Abend miteinander und freuen uns sehr, mal wieder mit jemandem aus der Heimat plaudern zu können. Valentina ist seit ein paar Monaten mit Rucksack unterwegs und erfüllt sich mit dieser Reise gerade ihren Lebenstraum. Manuelito aus Belgien belohnt sich nach dem abgeschlossenen Studium mit einer Auszeit und hier in Südamerika haben sich die beiden getroffen und beschlossen, gemeinsam weiter zu reisen.

 

Am nächsten Morgen trennen sich zumindest fürs erste unsere Wege wieder. Wir wollen weiter, um unsere Reise der Carretera Austral entlang in den Norden fortzusetzen und Valentina und Manuelito bleiben trotz des mittlerweile sehr herbstlichen Wetters und möchten noch mehr Zeit im Parque Pumalin verbringen. Wir verabschieden uns herzlich voneinander, tauschen die Kontakte und hoffen, uns doch noch mal über den Weg zu laufen.

 

Als wir in Caleta Gonzales ankommen regnet es in Strömen. Leider geht heute keine Fähre mehr – wir müssen warten, genau wie die wenigen anderen Fahrzeuge auch. Wir beschließen an einem Parkplatz direkt an der Carretera Austral in der Nähe unseren nächsten Lagerplatz aufzuschlagen und nutzen die Zeit mit Tagebuch-Schreiben, Kochen, Lagerbier-Trinken, noch ein Lagerbier-Trinken, Fotos-Verschlagworten und Hundepfoten-Kraulen. Es regnet und regnet....

 

Der Morgen des 20. Mai 2018 strengt sich so richtig an und entschädigt uns für den gestrigen Regentag – die Sonne scheint und wir stellen uns in die Warteschlange für die Fähre nach Hornopirén. Die erste Überfahrt dauert 30 Minuten, danach geht’s ca. 20 Minuten auf dem Landweg zur nächsten Fähre – diese ist wesentlich größer und sehr modern. Die zweite Überfahrt dauert dann 3 Stunden. Mir ist es zu kalt an Deck, ich verbinge die meiste Zeit in einem gemütlichen Liegesitz und Haimo friert an Deck in der Hoffnung, Delfine zu sichten.

 

Die Überfahrt endet um 16.15 in Hornopirén – hier wollen wir noch einmal unsere Vorräte füllen und scherzen noch, dass laut POS-Info unserer Offline Karte die Besitzer des Supermarktes genauso heißen, wie die Vermieter der Cabanas und der...Alles in einer Hand in diesem Ort? Als wir die Hauptstraße nehmen bleiben die Leute mit offenem Mund stehen – zuerst befürchten wir, dass am Zebra was kaputt ist oder wir irgendetwas nachschleifen – nein, nach Kontrolle – alles ok. Hm. Wir betreten den örtlichen „Supermarkt“ als einzige Kunden – alle 3 Kassen besetzt. Neun Augenpaare richten sich grußlos auf uns – wieder mit diesem starren Blick. Kein Nicken, kein Lächeln. Hm. Wir sind verwundert, das passt so gar nicht zu unseren bisherigen Erfahrungen auf der Reise. Im Supermarkt riecht es nach einer Mischung von Kuhstall und Kuhmist – offensichtlich ist es oder war es hier ein Stall. Wir wandern mal an der mit großen Fleischteilen bestückten Fleischtheke vorbei, nein, es scheinen keine menschlichen Teile zu sein. Die Salamis schimmeln dick und grün außen, das sind wir ja schon gewohnt, aber leider sieht der „Queso artesanal“ genauso aus. Hm. Irgendwie bekommen wir langsam so eine „From Dusk Till Dawn“ - Stimmung. Da fällt uns auf, dass sich die Leute in dem Markt alle irgendwie ähnlich sehen – entweder gibt es nur eine einzige Familie in dem Ort oder sie sind alle irgendwie offiziell oder inoffiziell verwandt. Wir raffen das Nötigste zusammen und entscheiden uns dann für eine aller besetzten, aber kundenlosen Kassen. Wir bedanken uns für das einräumen in Tüten, aber wir würden gerne nur direkt vor die Tür fahren mit dem Einkaufs-Wagen und einladen. Der mittlerweile dazu gekommen junge Mann mit ebenfalls diesem leeren Blick reagiert völlig verständnislos. Wir fahren unter Beobachtung aller mit unserem Wagen genau 2 Meter vor die offene Tür und beginnen unsere Vorräte ins Zebra zu räumen, als wir sehen, dass uns der Mann gefolgt ist und sich ausdruckslos direkt neben den Einkaufswagen platziert um uns zu beobachten. Hm. Naja, er scheint Zeit zu haben, da wir ja die einzigen Kunden sind und außerdem scheint er Angst zu haben - um den Einkaufswagen. Klar, der würde schon irgendwie ins Zebra passen – ohne uns. Wir setzen unsere Arbeit fort und es geht nicht anders, wir müssen lachen – er lacht nicht. Als Haimo das letzte Teil gerade aus dem Wagen hochnimmt, reißt der Mann ihm den Wagen aus der Hand und verschwindet grußlos im Supermarkt-Stall. Wir schauen uns wieder ungläubig an. Hm. Wir beschließen heute noch so weit wie möglich aus diesem Ort rauszukommen, denn ab Mitternacht werden sicher alle zu Vampiren. Die Blicke der Passanten bestätigen uns das beim Vorbeifahren.

 

Am 21. Mai 2018, nach einer sicheren und ruhigen Nacht außerhalb von Hornopirén ,-) – geht es zur Fähre von Puelche nach La Arena und dann direkt weiter nach Puerto Montt – hier endet unsere Reise entlang der wunderschönen, abwechslungsreichen Carretera Austral – der Abschied fällt uns schwer.


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