Die Geisterstadt Chacabuco l Calama l El Tatio Geysierfeld l Chuquicamata
Weiter geht unser Weg in den Norden auf der Ruta 5 Richtung Calama. Wir möchten gerne die alte Salpeter Geisterstadt Chacabuco besichtigen. Chacabuco war die größte Salpeterstadt Chiles und wurde vor dem zweiten Weltkrieg schon wieder geschlossen, zu groß die Konkurrenz der Deutschen, die bereits damals synthetisches Salpeter herstellen konnten. Anfang der 1970er Jahre war das verfallende Areal ein Straf-Lager für Pinochet-Gegner. Seit das deutsche Goethe Institut bzw. die deutsche Regierung Geld fließen haben lassen, gilt die alte Salpeter Stadt als Historisches Denkmal. Wir marschieren in der Mittagshitze durch das Areal – es ist tatsächlich ein sehr komisches Gefühl alleine dort – zumal die Geschichte der Stadt keine gute Stimmung aufkommen lässt – viel ist hier passiert. Wir drehen eine Runde und machen Fotos – eher zügig – dieser Ort lädt nicht zum Verweilen ein.
Am Weg nach Calama ist das Nord-Süd-Gefälle gut bemerkbar. Der Norden mag zwar staubig sein, aber reich – so ist auch der Weg in die Wüstenstadt wenig malerisch. Es geht vorbei an unzähligen Kupferminen und an von ihnen ausgespucktem, ausgebeuteten Material. Von Renaturierung hält man in Chile offensichtlich nicht viel, genauso wenig von wirklichen Umweltschutzauflagen. Empfindet (und findet) man im Süden der Atacama noch die Naturschönheit, so hat man hier wirklich das Gefühl, die Wüste ist durchlöchert wie ein Schweizer Käse und die Erde wird im großen Stil ihrer Substanz beraubt – irgendwie schämt man sich ein und hat ein schlechtes Gewissen, dass das deswegen passiert, weil wir alle Kupfer, Lithium und Molibden benötigen. Vielleicht gerade deswegen möchten wir uns die größte Kupfermine der Welt anschauen. Man sieht sie bereits aus der Ferne, wenn man sich der Stadt nähert – fast sieht Calama wie eine kleine Spielzeugstadt im Vordergrund der riesigen Materialberge der Mine aus. Alles ist staubig – extrem staubig. Kein romantischer Wüstensand – STAUB! Auch im Zebra haben wir diesen Staub in kürzester Zeit überall – nichts kann sich diesem Staub entziehen – das ist wohl der Preis, den hier alle zahlen, die im Schatten des Reichtums dieser Stadt leben. Die Kehrseite sind Armut und Kriminalität, die auch im Schatten der Stadt leben – angezogen vom reichen Norden, stranden hier viele, die dann doch kein Glück haben. Dicke Mauern, Stacheldraht und Elektrozäune sollen das Hab und Gut der Wohlhabenden schützen. Sieht man sich auf der Straße um scheint die Mittelschicht zu fehlen.
Im Büro der staatlichen Minengesellschaft Codelco erfahren wir, dass die heutige Führung aufgrund von „organisatorischen Problemen“ ausfällt. Da die nette Dame am Empfang gut Englisch spricht fragen wir gleich mal nach, wie das gemeint wäre. Sie fragt zurück, ob wir heute schon ferngesehen hätten. Wir erwidern, dass wir das seit einem dreiviertel Jahr nicht mehr haben. Sie erzählt uns, dass es Unruhen in der Mine gibt – ihrer Darstellung nach wären 2 Mineros entlassen worden und sehr viele andere würde dagegen protestieren, Feuerbarrieren auf den Zufahrten etc. Also zu gefährlich für Touristen. Okeee. Dann bitte ich sie, uns 3 Tage später einen Platz zu reservieren, wir würden in der Zwischenzeit die Gegend erkunden. Eine gute Nachricht bekommen wir auch noch mit auf den Weg: Seit heute hat der Paso de Jama wieder geöffnet – Halleluja – das ist ja mal eine Ansage!!!
El Tatio
Wir beschließen eine Auszeit vom Staub dieser unwirtlichen Stadt und fahren Richtung der Geysiere von El Tatio. Hier befindet sich eines der 5 größten Geysierfelder der Welt. Wir ziehen durch und kommen um ca. 17.00 im ca. 4.000 Meter hoch gelegenen El Tatio an. Die nette Rangerin lässt uns am Parkplatz übernachten, denn ab 6.00 früh – so haben wir gehört – geht hier die Post ab. So ganz können wir das fast nicht glauben, es ist ja Winter, die Straße ist mäßig geräumt, es liegt viel Schnee und schon jetzt wissen wir: die Nacht wird bitterkalt werden.
Unser Wecker geht um 5.30 ab. Eigentlich haben wir ihn nur für alle Fälle so früh gestellt, um dann noch gemütlich etwas liegen zu bleiben – von wegen. Seit einer halben Stunde fährt hier ein Touristenbus nach dem anderen vor. Unglaublich. Gut – dann müssen wir auch raus und schnell mit Gizmo Gassi gehen, Ticket kaufen und aufsatteln, damit wir nicht die letzten am Ende der Touristenmassen sind. Außerdem geht die Sonne langsam auf und wir wollten doch die Geysiere im Morgenrot sehen! Verdammt! Herdenpanik im Zebra! Und weil es heute Nacht Minus 10 Grad hatte und die Luft dünn ist hier oben, mag das Zebra nicht anspringen. Mit viel gutem Zureden wird es dann doch noch was ohne Hilfsmittel und wir düsen los Richtung nördlichstes Geysier Feld. Als wir dort ankommen sind wir dann zum Glück doch noch relativ alleine, weil viele Besucher zuerst weiter südlich halten Die ersten Geysiere erstrahlen im kitschigen Pink des Morgenrots. Wir haben noch Zeit relativ ungestört von einem brodelnden und spuckenden Erdloch zum nächsten zu marschieren, die Stimmung zu genießen und Fotos zu machen, ehe die Touristenbusse eintreffen – dann verziehen wir uns erstmal zum Aufwärmen ins Zebra und frühstücken gemütlich mit Aussicht auf die dampfende Landschaft. Als dann wiederum nach ca. 1 Stunde ein Bus nach dem anderen das Gelände verlässt setzen wir unsere Besichtigung fort. Mittlerweile strahlt die Wintersonne auf die Schneelandschaft und der Dampf scheint mehr zu werden. Irgendwie hat man das Gefühl, dass der Dampf und das kochende Wasser ein Gruß aus der Küche von Mutter Erde sind um uns daran zu erinnern, dass wir hier nur ihre Gäste sind und sie auch anders kann, wenn wir das nicht endlich kapieren...
Gegen Mittag verlassen auch wir El Tatio und freuen uns wieder, in etwas tiefere Gefilde zu kommen. Diesmal sind wir alle – auch Gizmo – ziemlich geschafft von der Höhe und wir entspannen auf den „nur“ mehr 3.000 m über dem Meeresspiegel auf einem ruhigen Lagerplatz mit tollem Abendrot.
Die größte Kupfermine der Welt - Chuquicamata
Gut ausgeschlafen und erholt finden wir uns am nächsten Tag wieder im Büro von Codelco ein und erfahren, dass die heutige Tour stattfinden kann. Wenig später herrscht schon geschäftiges Treiben, alle Besucher müssen registriert werden, Helme und Schutzwesten werden ausgegeben, jeder muss eine Sicherheitsvereinbarung unterzeichnen. Um 13.30 fährt der voll gewordene 50-Sitzer Bus los Richtung Mine. Die Anfahrt zur Mine sind ca. 25 km – davor kommen wir noch an einem neueren Projekt von Codelco vorbei – an der modernsten Mine Chiles – Radomiro Tomic. Hier wird Kupfer abgebaut, das arsenhältig ist und erst gereinigt werden muss, bevor es nach Chuciquamata zur Verarbeitung kommt. Arsen – Haimo und ich schauen uns an und wir denken das Gleiche: Wassertanken in Calama ist auf Eis gelegt, lieber machen wir das dann in San Pedro de Atacama – in unserem Reiseführer stand schon, dass Calama mit Wasserverunreinigung zu kämpfen hat, aber nun hat „das Unreine“ einen Namen.
Wenig später kommen wir am Ziel an – in Chuquicamata – quasi einem Riesenloch, das mittlerweile die Ausmaße von 1 km Tiefe, 5 km Länge und 3,5 km Breite erreicht hat – gut, es wird auch schon seit Beginn des 20. Jahrhunderts daran gearbeitet. Wie überall in Südamerika haben entweder Europäer oder US Amerikaner mit dem Abbau der Bodenschätze begonnen – in dem Fall waren es die zweiteren. Seit den 1960er Jahren hält Chile die Mehrheitsanteile und seit den 1970er Jahren gibt es die staatliche Firma Codelco, die alleiniger Eigentümer der Mine ist. Ab 2020 wird der Tagbau eingestellt werden und weitere 400 Meter sollen dann untertage noch weiter in die Tiefe gegraben werden.
Da stehen wir nun alle am Abgrund – Bob, der Baumeister 1 bis 50 und blicken ungläubig hinab in „ES“ das Riesen-Loch – 1 km tief! Am Rand fahren die riesigen Minen-Spezial-Fahrzeuge wie kleinen Spielzeug LKWs hinab in die Tiefe und kehren mit Material wieder zurück. CAEX – so nennt man diese Monster sind 150 Tonnen schwer und kosten jeweils 1 Million US Dollar. Alleine die Diagonale eines Reifens hat 4 Meter – im Vergleich: Das Zebra ist 3,12 m hoch. In 8 Stunden verbraucht so ein Gefährt 2.500 Liter Diesel. Apropos Verbrauch: Die Mine benötigt zur Aufbereitung des Gesteins, um daraus dann schließlich Kupfer zu machen, ein Gemisch aus Schwefelsäure und Wasser. Der Wasserverbrauch dieser Mine beträgt 2.000 Liter Wasser pro Sekunde – und das in Wüstennähe! Und noch ein Fakt: die riesigen, nicht mehr benötigten Gesteinshaufen mit O-Ton „wertlosem Gestein“ werden Tafelberg-artig aufgetürmt und nennen sich „Torta“ - weil sie wie mehrstöckige Torten aussehen – diese sind mittlerweile in der Gegend Teil der Landschaft geworden – über all in der Wüste findet man sie. Codelco gewinnt in der Mine außerdem noch Molibden – nicht in annähernd in den Mengen wie Kupfer, dafür verdient man mehr daran.
Die kostenlose Rundfahrt dauert 2 Stunden – vorbei geht es auch an der ehemaligen Stadt der Mineros – eine Geisterstadt – direkt am Minen Gelände. Mittlerweile sind Teile der Häuser durch die wachsenden Tortas verschüttet, das ehemals modernste Krankenhaus Südamerikas völlig zugeschüttet. Man erklärt uns, dass die Mineros umgesiedelt werden mussten, weil es hier alles gab, aber leider keine Universitäten für die Kinder. Unser Reiseführer berichtet aber von extremen gesundheitlichen Problemen als Grund für die Umsiedelung – scheint wesentlich einleuchtender, wenn man die Staubbelastung hier sieht – definitiv kein guter Ort um Kinder groß zu ziehen.
Beim Verlassen der Minen fallen uns dann auch die Fahrzeuge der schnellen Einsatztruppe des Militärs auf – Panzerfahrzeuge mit Komplettvergitterung. Wir nehmen an, die Präsenz dient nur mehr der Abschreckung, denn die Soldaten sitzen entspannt in den Fahrzeugen und sind in ihre Handys vertieft...